Hey Leute,
Diesmal ein etwas ausführlicher Bericht.
An diesem Abend (10.6.2007) habe ich etwas erlebt, was ich in dieser Form noch nicht erlebt habe.
Die Situation:
19:00 Uhr, drückend schwül, auf dem Radar ist eine linienhafte und stark aktive Gewitterfront zu entdecken, die aus S auf mich zukommt.
Eigentlich keine Zeit, fahre ich auf meinen Aussichtsberg nach S - die Sicht ist keine 1000m weit, es ist total diesig, Wolkenstrukturen sind keine zu erkennen.
Ich mache ein paar Bilder, als es anfängt zu tröpfeln, entschließe ich mich, in die Ebene zu fahren, wo vor dem Niederschlagskern mit Blitzen laut Radar kein Regen auftritt. Höchste Reflektivität auf dem Radar. Ich bin gespannt, was sich da noch so tut.
Körperlich bin ich richtig schlaff, die drückende schwüle Dampfluft schafft mich ganz schön. Komisch: Beim Hinauffahren auf meinen Aussichtsberg habe ich ungewöhlich starken Druck auf den Ohren verspürt. Das passiert mir sonst nicht.
Nun bin ich in der Börde bei Jakobwüllesheim und schaue auf eine undefinierte einheitliche schwarze Wand, die Sicht immer noch schlecht, 23°C, windstill.
Ich weiß noch nicht, welch atemberaubendes Naturschauspiel in den nächsten 5 Minuten über mich hinwegfegen wird.
Die Wand wird dunkler und dunkler und ich bemerke zunehmend Blitze, die aus der Wolke hinauszucken.
Sehr viele Bodenblitze - was mir irgendwie ein mulmiges Gefühl bereitet - ich stehe frei auf dem Feld, ungeschützt - und ich weiß nicht so richtig, was da eigentlich auf mich zukommt.
Dann - plötzlich - entwickeln sich in der diesigen Suppe einzelne Strukturen - wie sich später herausstellt die schemenhaften durch die langsam angehobene Luft hindurchschimmernen Fragmente einer doch recht mächtigen Shelfcloud, die vermutlich auch platesartige Strukturen ausgebildet hat...
Hier 2 kontrastverstärkte Bilder:
Die Böenkante erscheint...
Dann geht es rasant zur Sache. Innerhalb von 2-4 Minuten habe ich plötzlich eine wunderbare Fernsicht auf den stark blitzenden Zellkern (10-20 Strikes in der Minute) und gewaltige Strukturen werden sichtbar.
Sehr eindrucksvoll werden mir nun die Naturgewalten eines aktiven Gewitters vor Augen geführt - mehr und eindrucksvoller als bei jedem Blitzeinschlag, den ich bisher erlebt habe.
Auf dem folgenden Bild sieht man sehr anschaulich, wie plötzlich die Dampfluft angehoben wird - links die steil nach unten abfallenden Wolken der Minikaltfront, die nun keilartig und beispielhaft die Warmluft verdrängt:
Nochmal im Detail am Boden:
Was ist passiert?
Im Gewitter hat sich ein kalter Abwind gebildet, der nun aus dem Gewitter herausströmt und die warme Dunst - und Saunaluft vor dem Gewitter anhebt - dadurch verändert sich die Luftmasse abrupt und bietet diese völlig andere Atmosphäre.
Die Sicht wird schnell besser - schätzungsweise von vorher 600m auf 6km ansteigend - gleichzeitig sinkt die Temperatur um 7°C auf 16°C, später 15°C. Der Wind erwacht und weht böig. Ich befinde mich plötzlich in einer völlig anderen Welt - und das alles in 3-5 Minuten.
Die Zelle schickte ein "Whales Mouth" vorneweg, dass sich etwa 4-6km um den Zellkern, in dem es weiter mächtig blitzt und vermutlich auch hagelt, umgibt. Es scheint, als wäre die Gewitterzelle in einem Cocoon ummantelt, der sie von der dunstigen Nebelluft (auf dem letzten Bild noch links zu sehen - das ist kein Niederschlagskern, sondern die Nebelluft!) abschirmt.
Ich bin beeindruckt und mache weitere Bilder von dem Übergang zwischen Kalt- und Warmluft:
Im Panorama: Links der Zellkern, rechts das sich schließende "Whales Mouth".
Die andere Seite:
Kaum zu glauben, aber die Bilder sind unbearbeitet. Vergleicht doch mal das oben stehende Bild mit dem Anfangsbild des Berichtes, was nur Minuten vorher gemacht worden ist. Denkt euch den Temperaturunterschied und den Unterschied in der Luftfeuchte vor, den man fühlt - vielleicht könnt ihr erahnen, was für ein Erlebnis das ist. Wirklich außergewöhnlich ist hierbei, das alles nicht vorhersehbar ist, der plötzliche Aufzug macht den Reiz. Viele andere heftige Gewitter habe ich schon erlebt, aber so plötzlich wie dieses hat keines auf mich Eindruck gemacht. Auch mein Organismus erholt sich von der Schwüle und ist wie aufgewühlt.
Ich kann nun quasi in 360° unglaubliche Wolkenstrukturen fotografieren - überall über und um mir bewegen sich die schwarzen Wolken.
Hier der Zellkern:
Noch ein Bild des Zellkerns:
Und noch eins, rechts der Aufwindbereich:
In anderer Perspektive:
Mal aus dem Walmund herausfotografiert:
ME="album" HEIGHT="1017" WIDTH="667" MARGINWIDTH="0" MARGINHEIGHT="0">
Die Blitze im Zellkern, der durch Hebungsprozesse an der Eifel sehr aktiv ist, geraten dabei fast zur Nebensache:
Dann das Anfang vom Ende:
An der Grenze zwischen Kalt- und Warmluft am Whalesmouth beginnt neue Konvektion und es bilden sich neue Gewitterzellen, die die Hauptzelle mit und mit abschwächen lassen.
Es tröpfelt und ich versuche, noch einmal aus der Zelle herauszufahren:
Dies gelingt aber nicht und der Regen holt mich ein.
Zwar ist die Zelle zu dem Zeitpunkt noch aktiv genug, dass es sich lohnen würde, nochmal vor sie zu fahren, um Nachtblitzbilder zu machen, doch da ich eigentlich überhaupt keine Zeit habe, entschließe ich mich, auf meinen Hausberg zu fahren und mit ein paar Rückseitenfotos den Chase zu beenden:
Befreundete Chaser, mit denen ich in Verbindung stand, hatten das Whalesmouth bei Weisweiler auch eindrucksvoll erlebt, setzen sich nun vor den Zellkomplex und machten bei Grevenbroich noch ein paar tolle Blitzbilder.
Mit der Betrachtung dieser Bilder gegen 1:30 Uhr nachts schließt sich dieser denkwürdige Gewittertag für mich.
Ich hoffe, ihr konntet ein wenig daran teilhaben.
Viele Grüße
Lars