Wenn es nicht bald regnet, geht der Schweiz das Wasser aus. Die Seen und Flüsse haben einen enorm niedrigen Wasserstand. Und seit dem Hitzesommer 2003 haben sich die Grundwasservorräte nie ganz erholt.
Jürg Spori
Vor dem Berner Mattequartier, das erst vor vier Monaten unter Wasser stand, ist die Aare zum schmalen, zahmen Flüsschen geworden. Weiter oben im Schwellenmätteli sind die meisten Schleusentore zugedreht worden. Fast kein Wasser, nur Felsbrocken und Kieselsteine prägen dort das Aarebecken.
Kommt nach der Sintflut vom August jetzt die Trinkwasserknappheit? «Nein», beruhigt Jörg Frei, «die Versorgung im Kanton Bern ist an den meisten Orten durch mehrere Einspeisepunkte - Quellen, Anschlüsse an Nachbarversorgungen, mehrere Grundwasserbrunnen an verschiedenen Standorten - sichergestellt», sagt der Vorsteher Wasserwirtschaftsamt des Kantons Bern. Doch der Unterschied der Aare-Abflussmenge seit dem Hochwasser vom letzten August sei «extrem». «Die Ablussmenge betrug im August 600 Kubikmeter pro Sekunde, jetzt fliesst gerade noch ein Zwanzigstel, also 30 m3/sec», sagt Jörg Frei.
Dazu kommt: Seit dem Hitzesommer 2003 haben sich im Kanton Bern die Grundwasserspiegel nie ganz erholt: «Da die meisten Grundwasserreserven von Niederschlägen gespiesen werden, braucht es Regen, Regen und nochmals Regen», argumentiert Frei. Eine Woche würde dazu jedoch niemals genügen. Es brauche eine lange Regenperiode - «mindestens einige Wochen so richtiges anhaltendes Hudelwetter» -, um die Grundwasserreserven wieder aufzufüllen, oder sehr viel Schnee, der nur langsam schmilzt und das Wasser versickern lässt.
Schneepolster
Wie sich das Wetter und somit die Niederschläge bis zum Frühling entwickeln, kann Patrick Hächler von Meteoschweiz nicht sagen. Doch für den Meteorologen ist klar: «Gegenwärtig sind die Schneehöhen in der Schweiz normal. Es ist ein anständiges Schneepolster da. Wenn dieser Schnee schmilzt und abfliesst, würde das Grundwasser zumindest nicht mehr weiter absinken», meint Hächler. Bis jetzt sei die Schneedecke in der Schweiz auf normalem Niveau. «Doch von der gesamten Schneedecke bis April ist bisher nur ein Drittel da, es ist aber auch erst ein Drittel des Winters vorbei», gibt er zu bedenken. Fällt der fehlende Schnee noch, so sei im April mit einem Ansteigen der Grundwasserspiegel zu rechnen. Zwei Drittel des Schnees würden in Alpennähe bis April schmelzen.
Wasserkrise
«Bleibt dieser Schnee und der Regen bis zum April aus, so habe ich Angst vor grossen Problemen», sagt Hächler. Denn: «Dann gibt es in der Schweiz eine mittelgrosse Wasserkrise.» Er hofft in den nächsten zwei Monaten auf Regen und Schnee. «Sonst bekommen die Landwirte Probleme. Und Gemeinden, die nicht eine super Wasserversorgung haben, werden eine Wasserknappheit bekommen.» Betroffen seien Gemeinden, die nicht an einem Seewasserwerk angeschlossen sind und ihr Trinkwasser aus einer Quelle beziehen müssen. Patrick Hächler weiss: «In einigen Schweizer Gemeinden ist es jetzt schon zu Versorgungsengpässen gekommen.»
Quelle: Bieler Tagblatt