Worüber 10 000 Experten, Beamte und Minister hirnen
Klimaschutz Was von der UNO-Klimakonferenz auf Bali, die am nächsten Montag beginnt, zu erwarten ist
Es wird ernst. Das Jahr der beklemmenden Nachrichten zum Klimaschutz, der Horrorszenarien und Appelle geht zu Ende. Nun soll die Weltgemeinschaft bei der UNO-Klimakonferenz auf der indonesischen Insel Bali ab kommenden Montag zeigen, dass sie bereit ist zu handeln. Die Zeichen stehen gut.
«Bali wird ein Erfolg», sagt zum Beispiel Hans Verolme, Chefunterhändler der Umweltorganisation WWF. «Einen Misserfolg könnte man einfach niemandem erklären.»
Erfolg bedeutet allerdings nicht, dass alle Regierungen der Welt nach einem lauten Dingdong aufwachen, die erdrückenden wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Klimawandel zur Kenntnis nehmen, nationale Egoismen über Bord werfen und sofort mit einer radikalen Verminderung der gefährlichen Treibhausgase anfangen. In der komplizierten Welt der UNO-Diplomatie ist es vielmehr schon ein Erfolg, wenn auf Bali ernsthafte Verhandlungen über den Stopp der Erderwärmung beginnen.
Was wird genau passieren?
Auftrag der 13. Vertragsstaatenkonferenz der UNO-Klimarahmenkonvention, so der offizielle Titel des zweiwöchigen Treffens von rund 10 000 Beamten, Ministern und Experten aus 190 Ländern, ist der Start von Verhandlungen über ein neues weltweites Klimaabkommen. Das soll nicht etwa schon jetzt auf Bali fertig werden, sondern im besten Fall 2009 bei der übernächsten Vertragsstaatenkonferenz in Kopenhagen.
In Kraft treten soll der neue Vertrag dann 2013. Er soll das Kyoto-Protokoll von 1997 ersetzen, das 2012 ausläuft. Gestritten wird auf Bali also über das «Mandat» für die Verhandlungen für ein «Post-Kyoto-Abkommen».
Der Verhandlungsauftrag soll bereits erste Weichen für das künftige Abkommen stellen. Die EU hat dafür acht «wesentliche Elemente» vorgeschlagen. Unter anderem soll das «Zwei-Grad-Ziel» bekräftigt werden – die Temperatur soll weltweit im Mittel nicht um mehr als zwei Grad steigen –, ebenso wie das Ziel der Halbierung der Emissionen bis 2050 und die Regel, dass die Industrieländer mehr tun müssen als Entwicklungsländer.
Nächste konkrete Zielmarke ist 2020. Die EU hat bereits einseitig 20 Prozent Minderung bis dahin versprochen, und 30 Prozent, falls andere Industrieländer mitziehen. Das könnte andere anspornen, ähnlich wie vor dem Kyoto-Protokoll: Die damalige deutsche Umweltministerin Angela Merkel sagte 1995, als über das so genannte Berliner Mandat verhandelt wurde, einseitig 25 Prozent Reduktion des deutschen Kohlendioxid-Ausstosses bis 2005 zu und brachte damit Schub in die Verhandlungen.
Warum ist alles so kompliziert?
Es geht um 190 Staaten, von denen jeder sein eigenes Süppchen kocht. Zudem gibt es die traditionellen Bündnisse unter dem Dach der UNO, so etwa die Gruppe der 77 und China (die für die Interessen der Entwicklungs- und Schwellenländer streitet), die Opec-Länder (die den Kampf gegen den Klimawandel jahrelang hintertrieben), die Afrika-Gruppe oder die Aosis-Inselstaaten (die wegen der gravierenden Folgen des Klimawandels in ihren Ländern aufs Tempo drücken). Die Interessen und Ziele der Gruppen überlappen und widersprechen sich zum Teil. Die Industrieländer, die den Klimaschutz voranbringen sollten, sind sich ebenfalls nicht einig. In diesem Kuddelmuddel sollte man vor allem drei Teams im Blick behalten: die EU, die sich als Schrittmacher profilieren will; die USA, die beim Klimaschutz nur mitziehen wollen, wenn Schwellenländer wie China und Indien auch Reduktionen versprechen; und ebendiese grossen neuen Wirtschaftsmächte, die ihrerseits Vorleistungen der Industrieländer verlangen. Die drei Lager hängen zusammen wie verklemmte Puzzleteile.
Warum dauert das so lange?
Es geht um Gerechtigkeitsfragen – wie beim Aufräumen des Kinderzimmers. «Ich habe das gar nicht unordentlich gemacht», sagt der eine. «Ich habe aber schon ganz viel aufgeräumt, jetzt sind die anderen dran», sagt der andere. «Ich will noch weiterspielen», sagt der Dritte.
Die meisten Länder befürchten, dass sie sich zum Klimaschutz verpflichten – und das bedeutet Anstrengung und Kosten –, während andere weniger tun müssen und wirtschaftlich schneller wachsen dürfen. Folglich werden international ausgehandelte Texte – ob nun die Berichte des Weltklimarats, Resolutionen oder Abkommen – Wort für Wort abgeklopft auf versteckte Bedeutungen oder Gemeinheiten.
«Da heisst es: Ich mag dieses Wort nicht», berichtet WWF-Experte Verolme über frühere Verhandlungen. «Und dann frage ich: Na gut, ok, was können wir mit diesem Wort machen?» So kommen dann Formulierungen zustande, wie bei den G-8-Verhandlungen im deutschen Heiligendamm im Juni dieses Jahres, nämlich dass man «ernsthaft in Betracht ziehen» will, bis 2050 die Klimagase um 50 Prozent zu verringern.
Beim Kleingedruckten könne es sehr trickreich und kompliziert werden, sagt Verolme. Und genau das erwartet der Umweltschützer auch auf Bali. «Da wird es ein grosses Gerangel geben.»
In der ersten Woche müssen sich zunächst die Beamten und Experten damit herumschlagen. Am 12. Dezember kommen die zuständigen Minister ins Spiel, um in den letzten drei Tagen der Konferenz Nägel mit Köpfen zu machen.