Ja, das ist typisch.
Wenn ich auf meiner Brieftour durch einige der Dörfer am Edersee muß, könnte ich auch kotzen, wenn ich die Architektur sehe. Die Dörfer, die früher hauptsächlich auf Landwirtschaft und etwas Handwerk ausgerichtet waren, haben in den 60ern und 70ern ihre Seele verkauft. Es wurde gebaut auf Teufel komm raus, und so sieht das jetzt aus. An jedem Steilhang, wo eine Bergziege gerade noch laufen kann, ich aber gewiß meine Schwierigkeiten habe, stapeln sich die Bungalows, viele davon mit Flachdach. Inzwischen sind die alle natürlich in die Jahre gekommen und was damals der letzte Schrei war, sieht heute angegammelt aus. Viele der Häuser sind nur Ferienhäuser, stehen die meiste Zeit leer und gammeln vergessen vor sich hin. An vielen steht das Zu-Verkaufen-Schild. Die Eigentümer sind auch entweder schon alte Leute, denen es zuviel Mühe macht, das Haus aus der Ferne ordentlich zu verwalten oder es sind Leute, die das Ferienhaus am Edersee geerbt haben und nichts damit anzufangen wissen, weil sie mehr auf andere Urlaubsziele stehen. Und natürlich sollen viele der Häuser in den Ferien vermietet werden, damit sie Geld bringen.
Einige der Häuser sind auch ständig bewohnt, das ist eigentlich ein besonders trauriger Anblick, wenn ein Opa mit seinem Hund durch so eine Geistersiedlung schleicht. Wenn ich dann eine der Adressen suchen muß, kriege ich regelmäßig den Koller. Keiner da, den man fragen kann, alles tot und kalt und leer. Im Sommer dafür dann voll mit Urlaubern, daß man keinen Parkplatz mehr findet und ständig über die Folgen von irgendwelchen Saufgelagen stolpert. Lärm und Müll, Schnapsleichen etc. Da wollte ich bestimmt nicht leben. Die Dörfer selbst sind zerstört. Da ist kein Zusammenhalt mehr, weil jeder eine Pension oder sowas hat und den anderen als Konkurrenten sieht. Außerdem verliert man bei dem ständigen Zuzug und Wegzug der Fremden ganz dne Überblick, wer überhaupt noch im Dorf wohnt. Es gibt keine typischen dörflichen Eigenarten mehr, weder im Wesen noch in der Architektur, alles ist auf 08/15 Tourismus ausgerichtet. Keine Miste mehr auf dem Bauernhof, die Hotelgäste nebenan beschweren sich sonst. Kein Hahn darf krähen, kein Mensch draußen seinen Teppich klopfen oder gar seine Unterwäsche im Garten auf der Leine trocknen. Könnten ja die Gäste sehen und sich empören. Statt Nutzgarten gibt es dann Rasenflächen mit irgendwelchen Blumenkübeln, statt Obstbäumen Ziersträucher. Das ist so ein künstliches Scheinleben, ich kann mir nicht vorstellen, daß da ein Mensch seinen Urlaub genießen kann. Da könnte man genausogut die Vorabendserien im Fernsehen angucken, die sind genauso scheinlebendig.