Seit 1978 arbeitet Patrick Hächler bei Meteo Schweiz: Wetterprognosen sind sein tägliches Geschäft
Es wird lange dauern, bis der Bodensee sein Wasser-Tief überwunden hat. Doch das ist nicht Patrick Hächlers Hauptthema, wenn er am Dienstag nach St. Gallen kommt. Da geht es ums Azorenhoch – und woher unser Wetter kommt.
Das Büro ist klein, aber die Aussicht macht Eindruck. Tief unter uns liegt der Zürichsee, im leichten Schneetreiben sind die Berge mehr zu ahnen als zu sehen. Es ist die Wetterfront, von der Patrick Hächler gerade gesprochen hat.
Die Kunst liegt im Detail
Wir stehen auf und gehen ins Grossraumbüro, das eigentliche Nervenzentrum von Meteo Schweiz am Zürichberg. «Wenn ich Prognosedienst habe, bin ich hier», sagt Hächler und stellt mir Christa Hayoz vor, der heute diese Aufgabe zufällt. Um 14 Uhr hat sie den Spätdienst angetreten, bis 16 Uhr muss sie eine neue Prognose erarbeiten und dann mit den Aussenstellen Genf und Locarno abstimmen, die das Wetter in der Westschweiz und im Tessin beobachten.
Auf mehreren Bildschirmen flackern Radar- und Satellitenbilder, neben Christa Hayoz liegen Karten und die Temperaturverläufe, die der Wetterballon in Payerne gemessen hat. An der Wand hängen die Prognosekarten dreier Wetterdienste für ganz Europa. «An Informationen mangelt es also nicht», sagt Patrick Hächler, der nächsten Dienstag in St. Gallen über «Das Azorenhoch und andere Wetterküchen» (siehe «stichwort») sprechen wird. «Wenn man die Karten anschaut, bekommt man rasch eine Idee, wie sich das entwickeln wird. Doch die Kunst liegt im Detail. Wann wird es schneien? Bis in welche Tiefe? Gibt es Nebel? Oder droht ein Sturm? Ist mit Glatteis zu rechnen?»
Der Weg zu Meteo Schweiz
Patrick Hächler hat diese Kunst über Jahrzehnte gelernt. Er ist in St. Gallen aufgewachsen und hat hier die Kantonsschule besucht. Nach dem Physikstudium mit Schwerpunkt Atmosphärenphysik hat er, nach Zwischenstationen beim «Institut für Schnee- und Lawinenforschung» in Davos-Weissfluhjoch und an der ETH, wo er Hagelforschung betrieb, 1978 bei Meteo Schweiz angefangen.
Damals hiess Meteo Schweiz noch «Meteorologische Zentralanstalt». Fast hundert Jahre früher – 1881 – hatte sie ihren Betrieb aufgenommen, dieses Jahr ist also das 125-Jahr-Jubiläum zu feiern. «Wir sind ein Bundesamt mit Leistungsauftrag», sagt Patrick Hächler. Zu den Leistungen von Meteo Schweiz gehören nicht nur Prognosen für die ganze Schweiz, sondern auch Vorhersagen für einzelne Regionen und Auskünfte an eine grosse Zahl von Kunden.
Jede Menge Anfragen
Veranstalter von Open-Air-Veranstaltungen wollen wissen, ob ein Gewitter droht, Kraftwerkbetreiber erkundigen sich nach Niederschlägen, Piloten und Flugsicherung brauchen detaillierte Informationen über Regenfronten und Luftturbulenzen, Bauern müssen vor Bodenfrost gewarnt werden. Die Liste liesse sich fast beliebig verlängern. Auch Journalisten wollen immer wieder mal Auskunft, wenn das Wetter seine Kapriolen schlägt.
Jeder der Meteorologen an der Front muss solche Anfragen beantworten können. Patrick Hächler hat darüber hinaus drei Spezialgebiete: Er ist verantwortlich für Unwetterwarnungen, wobei die Kantone entscheiden, was im Einzelfall vorzukehren ist. Er betreibt noch ein wenig Föhnforschung. Und er macht Prognosekontrolle: Ständig beobachtet er die Qualität der Prognosen und versucht herauszufinden, weshalb es zu Fehlern kommt.
Die Alpen als Wetterscheide
Seine fast dreissig Jahre Berufserfahrung sind von Vorteil. «Auch wenn immer wieder ungewohnte Wetterlagen auftauchen können, so gibt die lange Praxis doch auch Sicherheit», sagt er. Wer neu bei Meteo Schweiz anfange, brauche mindestens zwei Jahre, bis er sattelfest sei. Denn Wettervorgänge sind unglaublich komplex.
Ausserdem, fügt Hächler hinzu, «ist unser Schweizer Wetter extrem variabel, und zwar wegen der Alpen. Sie schaffen zum einen grosse Höhenunterschiede, und sie teilen die Schweiz zum andern in Nord und Süd.»
Meinungsdifferenzen
Wie das Wetter, so befindet sich auch die Meteorologie unablässig in Bewegung. «Als ich hier angefangen habe, kam dem Fachwissen ein viel grösseres Gewicht zu», sagt Patrick Hächler. «Heute liefern Wettermodelle viel genauere Grundlagen. Unsere Aufgabe besteht darin, diese Modelle zu interpretieren.»
Das ist, wie Christa Hayoz' Karten und Bildschirme zeigen, eine immer noch enorm anspruchsvolle Aufgabe. Gibt es da auch Differenzen in der Beurteilung? «Ja, hoffentlich», sagt Patrick Hächler blitzschnell. «Gehen zwei Journalisten an denselben Anlass, dann werden sie zwei verschiedene Berichte schreiben. Bei uns ist das genauso.» Nur dass sich die Journalisten nicht auf eine Fassung einigen müssen, die Meteorologen hingegen schon.
Also diskutieren sie, bis sie eine einzige Prognose haben. 270 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat Meteo Schweiz an den Standorten Zürich, Zürich-Flughafen, Genf, Payerne und Locarno-Monti. Die Daten stammen von einem engmaschigen Messnetz, und, was unsere Nachbarschaft betrifft, von andern Wetterdiensten. Schliesslich beteiligt sich die Schweiz auch an der globalen Wetterüberwachung.
Denn Winde, Gewitter und Schnee machen an den Landesgrenzen nicht Halt. Wer sie verstehen und vor allem vorhersagen will, muss weite Räume im Auge behalten. Gerade das Ineinander von globalen Klima- und lokalen Wetterphänomenen, von Grosswetterlage und regionalem Wetter macht die Meteorologie so abwechslungsreich.
«Natürlich kann es langweilig werden, wenn schon der elfte Tag Hochnebel ist, oder wenn es drei Wochen am Stück regnet», sagt Patrick Hächler. «Aber alles in allem ist die Meteorologie schon eine spannende Angelegenheit.» Und: «Dem Wetter ist etwas Geheimnisvolles eigen.»
Bodensee mit Niedrigwasser
Als ich nach draussen trete, hat das Schneegestöber noch einmal einen Zahn zugelegt. Schon im Treppenhaus, haben wir über das Niedrigwasser des Bodensees gesprochen und darüber, dass es Monate dauern wird, bis wieder ein normaler Wasserstand erreicht ist. «Jetzt kommt der Schnee», sagt Patrick Hächler, «das freut die Skifahrer und Wintersportregionen. Erst wenn er schmilzt, können sich die Menschen am See freuen.»
http://www.tagblatt.ch/index.php?artikelxml=xxx&artikel_id=1148604&ressort=tagblattheute/wissen
Das Azorenhoch . . .
. . . und andere Wetterküchen: So ist der Vortrag überschrieben, den Patrick Hächler von Meteo Schweiz nächsten
Dienstag, 14. Februar, um 19.30 Uhr in der Aula der Pädagogischen Hochschule St. Gallen hält. Er wird veranstaltet von der St. Gallischen Naturwissenschaftlichen Gesellschaft.