Mehr Wettbewerb bedeutet mehr Qualität. Gilt dieser Grundsatz auch für Wettervorhersagen, gar für Unwetterwarnungen? Der Deutsche Wetterdienst (DWD) und Jörg Kachelmann, prominentester privater Wetterdienstanbieter, streiten nun vor Gericht. Wie der Zwist ausgeht, beschäftigt eine ganze Branche.
Es hätte eigentlich eine bescheidene Veranstaltung allein für Wetterfreaks werden sollen. Doch als Frank Böttcher im Februar zum ersten Extremwetter-Kongress nach Hamburg einlud, wurde er überrannt. 200 Absagen musste der Initiator der ersten Zeitschrift in Deutschland, die sich allein dem Wetter widmet - das "Wettermagazin" - erteilen. "Die Leute wollen einfach wissen, was es mit dem Wetter auf sich hat", sagt Böttcher.
Angesichts von Jahrhundertfluten, Hurrikanen und Extremwintern steigt das Interesse der Deutschen am Wetter. Wissen, was es mit dem Wetter auf sich hat - das wollen auch der DWD und Jörg Kachelmann, Betreiber des privaten Wetterdienstes Meteomedia. Auf dem Extremwetter-Kongress flammte zwischen DWD-Vorstand Gerhard Steinhorst und Kachelmann ein alter Streit an prominenter Stelle wieder auf, sie warfen sich fachliche Fehler beim Umgang mit Unwetterwarnungen vor.
Kompetenz- und Imagefrage
Hinter dem öffentlichkeitswirksamen Streit steckt mehr als nur ein Kleinkrieg zwischen dem geschäftstüchtigen TV-Moderator und einer Mammutbehörde. Es geht dabei auch um handfeste wirtschaftliche Interessen einer gesamten Branche - die Frage um die Kompetenz für Unwetterwarnungen ist auch eine Imagefrage.
Der DWD kämpfe deswegen so hart um die Alleinherrschaft über die Unwetterwarnungen, "weil er sonst seine Existenzberechtigung aufs Spiel gesetzt sieht", sagt Dennis Schulze, Vorstand des Verbands deutscher Wetterdienstleister (VDW). Seit Jahren werfen die privaten Anbieter von Dienstleistungen rund um das Wetter der Behörde vor, einen fairen Wettbewerb auf dem Markt zu verhindern.
"Beim Katastrophenschutz darf es keinen Wettbewerb geben"
Der Extremwetter-Zwist zwischen dem DWD und Kachelmann zog diesmal Konsequenzen nach sich. Das Bundesverkehrsministerium, dem der DWD als Behörde zugeordnet ist, erwägt nun, auf juristischem Wege durchzusetzen, dass alleine der DWD in Zukunft Unwetterwarnungen aussprechen darf. "Es liegt im Interesse eines effizienten Katastrophenschutzes in Deutschland, dass bei der Warnung vor gefährlichen Wetterereignissen eindeutig und unmissverständlich mit einer Stimme gesprochen wird. Beim Katastrophenschutz darf es keinen Wettbewerb geben", sagte ein Ministeriumssprecher FTD Online. Für dieses Single-Voice-Prinzip "in Frage kommende unterstützende Schritte" würden in den kommenden Wochen geprüft, auch eine Gesetzesinitiative sei "denkbar", so der Ministeriumssprecher.
"Ein solches Monopol kann sich Deutschland nicht leisten", sagt Kachelmann zu den Bemühungen im Verkehrsministerium. Seit Jahren reibt er immer wieder medienwirksam dem staatlichen Anbieter unter die Nase, der DWD habe beim Orkan Lothar vor rund sechs Jahren versagt. Auch die Elbflut führt der Medienprofi in seinem Streit gegen den DWD gerne als Beweis für deren Schwäche in Sachen Unwetterwarnung an. Er werde gegen konkrete Maßnahmen von Seiten des Ministeriums "alle rechtlichen Schritte prüfen", sagte Kachelmann FTD Online. Die Deutschen richtig vor Unwetter zu warnen, sei schließlich auch eine Frage der Vaterlandsliebe, so der Unternehmer mit Firmensitz in der Schweiz.
Einstweilige Verfügung gegen den DWD
Kachelmann selbst hat sich bereits an die Gerichte gewandt. Der DWD darf seit Freitag nicht behaupten, der Konkurrent warne mit seinem Unternehmen Meteomedia zu Quotensteigerungszwecken in den Medien mehr als nötig vor Unwettergefahren. Das Landgericht Köln erließ eine entsprechende Einstweilige Verfügung, die Kachelmann beantragt hatte. Der DWD prüft, ob er Rechtsmittel einlegt.
In der Tat sind alle Privaten auf die Rohdaten zur Wettervorhersage, die der DWD erstellt, angewiesen. Diese verkauft der DWD, auch wenn mit Steuereinnahmen finanziert, an die Privaten weiter - Kachelmann selbst ist einer der größten Kunden. Die Preise seien jedoch zu hoch, so Verbandsvorstand Schulze, der selbst einen Wetterdienst betreibt. Damit würde eine "künstliche Barriere" für Private auf dem Markt aufgestellt. Dienstleistungen, die der DWD mit diesen Rohdaten erstellt, etwa für Wettervorhersagen für Landwirte oder Energiebetreiber und Stadtwerke verkaufe der staatliche Anbieter hingegen zu billig. "Der DWD macht mit diesen Schleuderpreisen den Markt kaputt", sagt Schulze.
"Investitionen sind eine schwierige Sache"
Neidisch blicken die Privatunternehmen auf die USA. Der National Weather Service, das Pendant zum DWD, stellt die wichtigsten Rohdaten dort kostenlos zur Verfügung, für jeden im Internet abrufbar. Unternehmer, die dieses Material vor allem für die vielen lokalen Medien bearbeiten, erwirtschaften einen Umsatz von bis zu 500 Mio. $ pro Jahr.
Die Website der Unwetterzentrale von Meteomedia. In Deutschland setzt die Branche lediglich rund 15 Mio. Euro jährlich um, schätzt Schulze. Das sei, selbst wenn man die unterschiedlich großen Märkte berücksichtigt, recht wenig. Gerne würden sich die privaten Anbieter, derzeit in Deutschland rund 15, stärker auf den lukrativen Markt für Agrarprognosen und die Luftfahrt wagen. "Der DWD fühlt sich da aber jeweils allumfassend zuständig, Investitionen für Privatunternehmen sind daher eine schwierige Sache", sagt Schulze.
Wolfgang Kusch, DWD-Präsident, weist den Vorwurf einer marktverzerrenden Preispolitik von sich. "Auch ich plädiere dafür, dass möglichst viele Daten frei zugänglich gemacht werden", sagt er. Mit dieser Position stünde er in Europa aber alleine da. Bei der Erstellung der Rohdaten arbeiten die europäischen Staaten zusammen, Deutschland könne nicht im Alleingang handeln.
"Das ist ein Prozess, der sich noch lange Zeit hinziehen wird", sagt Kusch. Seit der DWD sich aus dem Mediengeschäft zurückgezogen habe, verdiene der staatliche Anbieter "praktisch kein Geld mehr". Lukrativ sei allein das Geschäft für den Flugverkehr, jährliche 250 Mio. Euro koste die Infrastruktur zur Wetterdatenerhebung, "das kann nur ein nationaler Wetterdienst bezahlen."
Gute Perspektiven auf dem Online-Markt
Gute Chancen für private Wetterdienste sieht Frank Böttcher vom "Wettermagazin" in Zukunft vor allem auf dem Onlinemarkt und für Spezialanbieter, die etwa Gutachten für Versicherer erstellen. "In den nächsten 10 bis 15 Jahren wird sich die Zahl der Privaten verdoppeln", sagt Böttcher voraus.
Dabei werde es immer mehr kostenpflichtige Angebote geben, nur noch simple Wettervorhersagen dürften dann umsonst erhältlich sein, schätzt er. Große Konkurrenz beim Thema Unwetterwarnung werde es ohnehin nicht geben, nur wirklich große Anbieter wie Meteomedia verfügten über genügend Kapital, diesen arbeits- und personalintensiven 24-Stunden-Dienst aufrecht zu erhalten.
Sollte es in punkto Unwetterwarnung tatsächlich in Zukunft ein staatliches Monopol geben, so würde der finanzielle Verlust "uns nicht umbringen", sagt Kachelmann. Lukrativ sei der Bereich nämlich nicht, so der Wetterunternehmer. Er sei von Feuerwehren und anderen staatlichen Hilfsdiensten auf deren Nachfrage hin erst "auf den Markt gedrängt worden". Geld dürfte Kachelmann aber mit den Dienstleistungen rund um den Unwetterservice verdienen, auch wenn die Warnung an sich auch bei ihm kostenlos ist.
Kachelmann schlägt vor, der DWD und Meteomedia könnten im Falle, dass das Recht auf Unwetterwarnungen nur einem Anbieter gesetzlich zugesprochen würde, zu zweit um den Auftrag konkurrieren. Zwei Anbieter im Wettkampf um eine Dienstleistung - Konkurrenz sieht eigentlich anders aus.
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