von Wolfram Weimer
Achtung, Achtung!
Wenn Sie diesen Artikel lesen, bitte benutzen Sie nur eine kleine Leselampe – denken Sie an den CO2-Ausstoß! Lesen Sie außerdem schnell, schließlich naht der klimatische Weltuntergang, und es könnte sein, dass schon während der Lektüre das Nordseewasser an die Beine ihres Sessels schwappt – der Meeresspiegel, Sie wissen schon. Und noch etwas: Glauben Sie mir kein Wort, denn das könnte dazu verleiten, auch künftig fröhlich Auto zu fahren, und das wollen wir auf gar keinen Fall. Nie mehr.
Folgen Sie lieber der Schickeria-Großkoalition von Holly-wood (wo schon ganz, ganz brenzlige Buschbrände lodern) über Davos (dessen Gletscher traurig tropfen) bis Sylt (versinkt ja schließlich nächste Woche im Meer). Die hat sich zur ökologischen Internationale zusammengeschlossen, denn das Erdklima steuert weder in die kleine noch in die große, sondern in die „totale Katastrophe“. Und schuld daran ist nicht vielleicht oder teilweise, sondern ganz und gar das Kohlendioxid. Das böse. Es ist schlimmer als Massenvernichtungswaffen. Sagt Hans Blix. Der Uno-Waffeninspekteur muss es wissen. Wahrscheinlich untertreibt er noch. Kohlendioxid ist bestimmt noch schlimmer als schlimm. Schlimmschlimm. Luzifers Gasgestalt, des Teufels Fußpilz. Und deswegen hat der IPCC-Chef Rajendra Pachauri auch recht, dass er die methodischen Ungereimtheiten und tendenziösen Fehler seines überdramatischen Uno-Klimaberichts damit verteidigt, es gehe jetzt vor allem darum „zu schockieren“.
War nicht irgendwo ein Wintersturm? Regen in Djakarta? Hitze in Australien? Na bitte, alles Vorboten. Hören Sie hin: Unsere apokalyptischen Reiter trappeln bereits durch die Wettervorhersage der Tagesschau. Glauben Sie darum den Sonnenforschern und Ozeanologen kein Wort, die aktuelle Erderwärmung könne ganz andere Gründe haben als die von Menschen verursachten. Und vergessen Sie das MIT in Boston, diese üble Ballung naturwissenschaftlicher Weltintelligenz. Die wollen nur verwirren mit ihrem Hinweis, dass derlei Klimawandel der erdgeschichtliche Normalfall sei und dass zum Beispiel vor 20000 Jahren große Teile Nordeuropas von turmhohen Eisschichten bedeckt und der Meeresspiegel 150 Meter tiefer war.
Überlesen Sie es, wenn zweifelnde Klimaforscher fragen: Wieso passierten ähnliche Temperaturanstiege schon mehrfach in der Erdgeschichte, zuletzt im warmen Mittelalter, wo vor den Ritterburgen doch gar keine Geländewagen im Berufsverkehr standen? In den Geröllhalden der schmelzenden Gletscher finden sich Zeugnisse früherer Vegetationen und Zivilisationen, weil es in den Alpen der vergangenen 10 000 Jahre bereits acht solcher Rückzugsphasen gab – wie aber, wenn doch das böse Kohlendioxid an allem schuld ist? Wie kommt es, dass die Zahl der bei Naturkatastrophen umgekommenen Menschen seit 100 Jahren rückläufig ist, wir aber doch alle den Eindruck gewinnen, es sei genau umgekehrt?
Wer Relativierung zulässt, der verrät die gute Sache der grünen Apokalypse. Denken Sie nur an die wohltuenden Mahnungen des Club of Rome, die endzeitsicheren Prognosen über das Waldsterben und das Ozonloch – alle grundfalsch, aber hätten wir sie nicht verkündet, wären wir vielleicht schon tot. Wir Panikmacher sind Weltverbesserer! Umwelt schonen, Luft sauber halten, Energie effizient nutzen – dazu reicht den dummen Menschen ihre praktische Vernunft nicht. Dazu brauchen sie unsere Öko-Horrorshow. Die Kernkraftlobby und der ökologisch-industrielle Komplex sind auf unserer Seite. Auch die enttäuschte Altlinke, die endlich mal wieder – es lebe die Sublimation – Kapitalismuskritik üben darf, und ebenso die Altrechten, die ihren Modernisierungszweifel bestätigt sehen. Vor allem aber alle, die billige PR brauchen. Bush, Blair & Co – grüne Mäntelchen leuchten mit Apokalypse-Design am herrlichsten.
Im Übrigen geht es ums Prinzip. Mit der Öko-Apokalypse können wir uns als Spezies richtig groß fühlen, da nicht mehr die Natur uns beherrscht, sondern umgekehrt wir zu Bewegern des Klimas werden. Lasst uns die Ehrfurcht vor der Schöpfung überwinden, wir haben selber alles im Griff. Wir können mit Kohlendioxid das Klima verhunzen oder es so fixieren, dass es in seinem jetzigen Zustand für immer und ewig stillhält. Mensch Nietzsche, wir sind auf dem Weg zum grünen Übermenschen!
Und bitte verraten Sie niemandem, dass die ansteigenden Temperaturkurven – ein praktischer statistischer Trick – just am Ende der letzten „kleinen Eiszeit“ von 1400 bis 1800 beginnen. Damals waren zwei Drittel des Nordmeeres von Packeis bedeckt, der Fischfang kam zum Erliegen, Missernten mit Hungersnöten suchten immer wieder das europäische Festland heim. Wenn die Deutschen erführen, dass die natürliche Erwärmung geradezu eine Voraussetzung für ihren Wohlstand war, sie würden weiter Autos erfinden, bauen, verkaufen, fahren, glücklich sein und reich bleiben. Wie furchtbar.
Wolfram Weimer ist Chefredakteur von Cicero
MfG
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