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Der Mistral-ein Erfahrungsbericht 28 Mar 2007 13:16 #138821

  • Constantin
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Hallo ins Forum!

Nach längerer Abstinenz, bedingt durch eine 12-tägige Südfrankreich-exkursion, melde ich mich heute zurück. Die Exkursion führte in das Gebiet der "Lodeve", rund um den See "lac Salagou", ein beliebtes Wander- und Ausflugsgebiet, das eine Wildromantische Landschaft aufweist.
Da wir Exkursionsbedingt täglich zwischen 8 und 10 Stunden im Gelände waren und kartiert haben konnten wir das Wetter natürlich "hautnah" miterleben. Und so kam ich in den (zweifelhaften) Genuss, ein volle Woche lang einen der berühmtesten und auch berüchtigsten Winde Europas "Live" und draußen zu erleben: den "Mistral", den schon die Römer kannten und fürchteten, und ihm schon damals den Titel "magistralis" (meisterlich) verliehten.
Der Mistral ist ein kalter Nordwind, der entsteht, wenn kalte Luftmassen nach Süden vordringen, und dabei auf die Alpen als Barriere treffen. Die Luftmassen müssen daher ausweichen, und werden dann westlich der Alkpen mit Gewalt durch das Rhonetal gepresst. Wenn sie auf das warme wasser ees Mittelmeers treffen entsteht dort dann oft noch ein Genuatief, das die Luftmassen noch zusätzlich ansaugt und den Mistral weiter anheizt; einmal eingefahren, kann sich so eine wetterlage mehrere Tage am Stück halten, bei und dauerte sie gar ein volle woche.
Der Mistral brachte eine sehr einschneidende Wetterwende, waren es am Anfang noch bei deutlich über 20 Grad sonnig und warm, fiel die Temperatur mitte letzter Woche bei Nordsturm auf unter 10 Grad, komplett garniert mit einzelnen Graupelschauern und sogar einem Schneeschauer (!), und das nur 50 km vom Mittelmeer entfernt.
Das besondere an diesem Wind war: Man konnte ihm nicht entfliehen. Er war einfach überall, man hörte ihn pfeifen und an den Türen rütteln, wenn man im Haus war, im Gelände bogen sich die Kiefernwälder, überall herrschte ein enormes tosen und rauschen des Windes, der durchs Gelände jagte. Der wind war so stark, dass er Bäume umknickte, kleine Binnenseen wie eben auch der "Salagou" wurden zu kochenden, aufgewühlten und schäumenden Gewässern, auch mitten am Tag konnte man es kaum ohne Handschuhe und Mütze aushalten, weil der Wind schneidend kalt war.
Ich verstehe jetzt, warum die Menschen im Rhonetal die Nordseiten ihrer Gärten mit hohen Bäumen bepflanzen, um Schutz vor dem Mistral zu gewinnen.
Ein vergleich mit "heimischen" Winden ist schwierig; am ehesten kann man ihn mit einem NW-Sturm vergleichen, jedoch mit trockener Luft, der die Lippen auf Dauer spröde macht. Nach drei Tagen Mistral hatte ich schon so genug von der ständigen präsenz des Windes, dass es mir anfing auf die nerven zu gehen, nach fünf tagen ertappte ich mich einmal dabei wie ich laut Fluchend gegen den tosenden Wind anzeterte, weil ich die Schauze gestrichen voll hatte, und auch mal wieder "Ruhe" haben wollte. Dieses "genervte" ging vielen aus unserer Gruppe so, man war einen Sturm gewöhnt, aber nicht einen von solch einer Dauer. Die Dörfer entlang des Sees wirkten während der "Mistral"-Woche wie ausgestorben, es war kaum eine Menschenseele auf der Straße, allenfalls ein paar unentwegte, die, gebückt gegen den Sturm ankämpfend, Einkaufstüten mit dem nötigsten nach Hause brachten.
Die maximalen Böen dürften mitte der Woche bei etwa 10 Bft. gelegen haben, was auch die umgeknickten Bäume erklären würde. Da der "Salagou" am Südrand des Central Massifs liegt, bekamen wir nur sehr wenig Niederschlag ab, dafür oft wunderschöne Lentis bei sonst sonnigem Himel und einer Fantastischen, oft über 60 km weiten Fernsicht bis zum Mittelmeer.
Es war eine wirkliche Erleichterung, als der Wind am Samstag endlich nachließ und am Sonntag ganz einschlief. Wieder normal aus dem Haus gehen zu können, sich zu sonnen und keine angst haben zu müssen, dass einem alles wegfliegt war wunderbar, obwohl es eigentlich völlig normal ist.

anbei ein paar Bilder:

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Der "lac du Salagou": hier wurde die Kartierungsexkursion durchgeführt.


Bei Mistral mutierte der sonst beschauliche See zum wilden Binnengewässer. Für Kitesurfer waren es allerdings paradiesische zustände im sonst eher schwachwindigen Südfrankreich-warme Neoprenanzüge Vorausgesetzt.


Blick auf das sonnenbeschienene Mittelmeer vom "Montagne de Viausson", en über 500m hoher Berg in Seenähe. Auf der Nordseite konnte man am letzten Tag die Schneebedekcten Gipfel des Central massifs erahnen



typisch bei Mistral: Föhneffekte erzeugen Lentis-und dramatische Wolkenstimmungen


Hierum ging es: Geologische Kartierung des Gebiets, sprich: Gesteinsbestimmung. Das bild zeigt fossile versteinerte Trockenrisse der "Salagou-Formation"-mehrere Millionen Jahre alt.

Ich hoffe ich konnte einen kleinen Eindruck vermitteln. Der Mistral trägt meiner Meinung nach seinen berühmten Namen und seinen ruf nicht zu Unrecht und dürfte eines der beeindruckendsen und einschneidensten lokalen Windsysteme Europas sein. Ich bin daher durchaus Froh ihn einmal "Live" erlebt zu haben, auch wenn die umstände ruhig etwas besser gewesen sein könnten.

Gruß aus Augustin

Constantin

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Der Mistral-ein Erfahrungsbericht 28 Mar 2007 19:32 #138827

  • MSE29
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Vielen Dank für deinen tollen Erlebnisbericht!
Das muss ja wirklich ein unglaubliches Schauspiel gewesen sein.

Die Gesteinsschicht die man oben auf dem Foto sieht ist wirklich so alt?
Da muss diese doch, wenn freigelegt, mit den Jahren erosieren? Oder habt ihr die noch freigebuddelt? Könnte man nicht auch anhand des Gesteines und des Alters feststellen wie die Umgebung damals war?

MfG
MSE29

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Der Mistral-ein Erfahrungsbericht 31 Mar 2007 12:03 #138876

  • Constantin
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Hallo,

ja, man kann anhand der Testeine einiges ablesen wie die umgebung damals ausgesehen haben könnte, und wie das Klima zu dieser Zeit möglicherweise war.

Zum Thema Erosion: Wenn feuchte Bodenschichten austrocknen werden Sie bretthart, "backen" quasi zusammen. Werden sie dann noch von neuen Sedimentschichten zugeschüttet, versteinern uber mehrere mio Jahre, werden unter hohen Drücken tektonisch beansprucht und gekippt (die hier gezeigte Formation liegt schräg nach Süden mit einem Winkel von gut 20°!), werden sie nochmal ein ganzes Stück härter. Wird sie dann durch rezente Erosion freigelegt ist sie härter als die Umgebenden Schichten (die durch Wind abgelagert wurden und somit nicht "verbacken" sind --> weicheres Gestein!) und erodiert nicht so schnell.
Die hier abgebildete Schicht stammt aus dem späten Perm, ist also zwischen 299 Ma bis 251 Ma v.u.Z. entstanden.

Zum Thema "wie war die Umgebung und das Klima damals":

Die Gesteinsschichten der "Salagou-Formation" sind ein Wechsel zwischen eher tonig-sandigen schichten und eben diesen Rippelmarken und Trockenriss-Bänken. Daraus kann man folgern dass es sich um ein flaches Gebiet gehandelt haben muss, eine weitläufige Ebene, vielleicht auch eine große Senke, in der es -und jetzt kommen wir zum Klima- sehr trocken gewesen sein muss, unterbrochen von einzelnen, heftigen Regengüssen, die Schlammfluten hervorgerufen haben müssen. die haben dann Material transportiert, das dann in der Sonne ausgetrocknet ist und eben diese trockenrisse gebildet hat. Für ein eher Wüstenartiges Klima spricht zudem die Tatsache dass zwischendurch immer wieder Schichten "drin" sind die offensichtlich äolisch abgelagert wurden.

Zum Thema Perm gibts auch noch was bei Wikipedia:
http://de.wikipedia.org/wiki/Perm_%28Geologie%29

lustigerweise auch mit einem Bild aus der "Salagou-Formation", die unter Geologen wohlbekannt zu sein scheint! :)

Gruß aus Augustin

Constantin

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