Genug Wind auf Aargauer Bergen (AZ)
Windenergie Dank der Einspeisevergütung ab 2009 wird sie auch wirtschaftlich interessant
Deutschland und Europa haben es vorgemacht, jetzt erfasst der Aufwind auch die Schweiz und den Aargau. Neueste Messungen machen klar: Auf vielen Aargauer Höhenzügen bläst genug Wind für die Propeller-Kraftwerke.
HANS LüTHI
Bis weit ins letzte Jahr hinein galt sie als chancenlos für den Aargau, die Windenergie. Fehlendes Potenzial, unwirtschaftlich und viel zu teuer, ganz abgesehen von der Verschandelung schöner Landschaften, bemängelten bürgerliche Politiker die Energie. Bei der Beratung des Strategieberichts Energie Aargau standen die Grünen ratlos da, als die Mehrheit des Parlaments in zweiter Lesung den zuvor knapp eingeschobenen Windartikel ersatzlos strich. Inzwischen hat der Wind gedreht: Auf (erneuten) Anstoss der Grünen Fraktion im Grossen Rat hat die Regierung einen Projektauftrag für eine Windkarte Aargau in Auftrag gegeben.
Messungen versprechen Erfolg
Wenn auch für Energiefachleute der Traum von der Windenergie ein gutes Stück Richtung Realität vorgerückt ist, hat das seine Gründe: Neue Messungen an den meisten Standorten wie Heitersberg, Lägern, Lindenberg und Staffelegg zeigen genügend starken Wind, um den Turbinen den nötigen Schub für die Stromproduktion zu geben. Wirtschaftlich wird der Windstrom mit der Einspeisevergütung ab 2009 interessant. «Das Geld fliesst einfach, die haben kein Risiko, und wir dürfen den Pfuus liefern, wenn kein Wind bläst», heisst es nüchtern aus der heutigen Energieszene. Für die Windenergie gilt das physikalische Gesetz wie für alle anderen Arten der Stromproduktion: Die Kraftwerke müssen immer genau dann liefern, wenn die Verbraucher die Schlüsselenergie benötigen. Für die Freunde des Windes und aller anderen erneuerbaren Energien ist jede Kilowattstunde und jede Megawattstunde ein Schritt weg von den fossilen Energien und damit ein Beitrag zur Entschärfung des Klimaproblems.
Viele windreiche Standorte
«Wir messen auf 30, 50 und 65 Meter Höhe», erklärt Geschäftsführer Thomas Leitlein von der Firma Luventa (
www.luventa.ch
) vor der grossrätlichen Umweltgruppe. Seit vier Monaten misst seine Firma beim Sennhof in Remetschwil am Heitersberg und auf der Wasserfluh, ab rund 5 Meter Wind pro Sekunde wird eine Anlage wirtschaftlich interessant. «Der Durchschnitt von 5,5 Metern auf der Wasserfluh und 5,6 Metern in Remetschwil oder im Dezember sogar 7,2 Meter ist höchst erfreulich», so ein erstes Fazit von Leitlein. Nicht alle kommen rein rechnerisch über die wirtschaftliche Schwelle, in der Jura-Region wird auf Messungen verzichtet, weil der Fachmann hier zu viele technische Probleme befürchtet. Sein Fazit: «Im Aargau gibt es einige windreiche Standorte». Bei 25 möglichen Einzelanlagen der 2 Megawatt-Klasse macht er die Stromrechnung: «Das ergibt für 100 000 Personen regenerativen Strom, 100 000 Megawattstunden nachhaltige Energie pro Jahr und damit 85 000 Tonnen weniger CO2.
Weltweit grosse Zuwachsraten
Solche Zahlen freuen den Umweltpolitiker Reto P. Miloni (Grüne, Hausen) der sich wenigstens am Abschiedstag aus dem Parlament im Winde sonnen kann. Wie die neue Energie im Energiekanton Aargau auch ankommen mag, Faktum ist ein unglaubliches Wachstum, bisher dank Weltmeister Deutschland vor allem in Europa. Mit 40 000 Megawatt stehen zwei Drittel der weltweiten Leistung in der EU, bis 2010 sollen es 75 000 Megawatt sein. Allein die 20 000 in Deutschland installierten Megawatt haben die Leistung von 20 Kernkraftwerken der Grösse Gösgen oder Leibstadt. 5,5 Prozent ihres Stroms erzeugen die deutschen Nachbarn mit Windenergie, den entscheidenden Anteil liefern weiterhin die luftverschmutzende Kohle und die KKW. Den massivsten Ausbau ortet Leitlein weltweit «in den USA und in China, dort geht die Musik in Zukunft ab». Das ist alles Wasser auf die Mühle der Aargauer Grünen, die mit ihrer Energieinitiative alle erneuerbaren Energien fördern wollen, Biomasse, Umweltwärme, Geothermie, Sonnenkollektoren, Photovoltaik – und Wind.
Viele Projekte in der Schweiz
«Beim Wind herrscht ein richtiger Boom, überall gibt es Projekte, auf dem Grimsel, Gotthard, Jaunpass sowie in der Westschweiz, denn die Schnellsten bekommen Geld», sagt Axpo-Sprecher Hansjörg Schnetzer. Der Stromkonzern setzt ebenfalls stark auf alternative Energien, aber mehr auf jene, die sich produktionstechnisch besser steuern lassen – und wegen ihrer Bandenergie auf neue Kernkraftwerke.
Übrigens: Schweizer Stromer finden überall einen Weg, um Elektrizität dank Speicherenergie zu vergolden. Beim Wind geht das so: Wenn am Wochenende die deutschen Fabriken still stehen und der Wind stark bläst, kauft die Axpo an Europas Strombörse den überschüssigen Windstrom für ein bis drei Rappen je Kilowattstunde (kWh) und pumpt damit Wasser in einen Speichersee. Kommt es in der Woche darauf zum Engpass, wird das Wasser turbiniert und für 20 bis 30 Rappen je kWh wieder via Strombörse verkauft. Ganz nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage.