Salü Edy
"Ich weiss, dass ich nichts weiss". Diese Einstellung sollte man eigentlich immer haben. Und betreffend Wetter weiss ich, dass ich vom appenzeller Wetter eine geringe Ahnung habe und vom Jurasüdfusswetter vielleichte eine winzig grössere. Ich bin in Grenchen und Solothurn aufgewachsen und habe nachher lange Zeit hier gewohnt, also quasi "neben" Biel.
Niemals, aber wirklich niemals, hätte ich mir früher angemasst, über das appenzeller Wetter irgend was auszusagen. Ich habe diese Gegend nicht gekannt und auch nach sieben Jahren gab es andauernd Phänomene, die mich in Erstaunen versetzt haben. Die Vielfalt, Intensität und die Eigenheiten von Windströmungen oder Staulagen sind auch heute noch Highlights, an die ich mich gerne erinnere.
Der Rest der Schweiz kenne ich wettermässig nicht, vor allem die kleinräumigen Verhältnisse entziehen sich meiner wirklichen Kenntnis.
Zurück zum Jura:
Es wird in den Berichten und Zeitungen sehr viel vom "Joran" gesprochen. In 99% der Fälle ist der Joran aber lediglich ein sommerlicher Abendwind. Er weht an stillen Tagen vom Berg (Jura) wieder ins Tal und ist eigentlich auf das östliche Bielerseebecken beschränkt. Dass es am "Jurasüdfuss" den Joran gebe ist kompletter Käse. Dieser Effekt heist ab Pieterlen ostwärts ganz einfach "Bergwind". Und auch in Oberdorf kann sich der Bergwind an Sommerabenden derart intensiv zeigen, dass man vom Sitzplatz schleunigst ins Hausinnere zügelt.
So viel zu dieser Definiton. Nun zu einem kleinen Rückblick:
Als Grenchner habe ich in den 40 Jahren "Jurasüdfuss" einige Gewitterchen miterlebt, die heute als mittlere "Katastrophe" in den Medien ausgeschlachtet würden. Früher hats einfach ein paar Bäume umgelegt, Häuser abgedeckt, und gehagelt wie aus Kanonenrohren. Anderntags war es vorbei und wenn es gut ging gabs einen kleinen Artikel in der Zeitung. Finito. Ende. Aus.
Es gab keine Wetterforen, in denen dann nächtelang darüber diskutiert wurde, ob das jetzt ein DownBurst war oder ob das Teil InFlow-getrieben oder OutFlow-getriggert gewesen sei. Ob da jetzt eine "Scherung" stattgefunden hat oder ob es sich um eine Superzelle gehandelt hat. Und wenn das selbe vor 20 oder 30 Jahren in Biel stattgefunden hätte, dann hätte das einfach eine Zeitungsmeldung gegeben "ETF zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit von Schweren Gewittern getroffen". Punkt.
Dies zu den Medien und den rund 8'945 Spezialisten, die sich da jetzt alle zu Wort gemeldet haben.
Und dann kommt noch etwas ganz Anderes hinzu:
Wir leben heute in einer Spass- und Kommerzgesellschaft. Genau wie Kerstin es schrieb: Es stehen Werbeverträge und weiss nicht noch was alles auf dem Spiel. Ein Gewitter im Anzug? Ach was: "the Show must go on". Und die Zelte baut man heute sowieso nur auf, damit sie als Sonnenschutz dienen oder vor leichtem Nieselregen schützen. Gewitter? Sturm? Böen? Ach, das wird schon halten. Selbst Gerüstbauer bauen die Bau-Arbeitsgerüste heute auf, als sei es 365 Tage im Jahr windstill. Gut, ok, man muss sich nur mal ansehen WER diese Gerüste aufbaut... Letzten Herbst hat es in Grenchen 2x (!!) nacheinander ein Gerüst vom Bergwind zusammengelegt. Und es war KEIN Orkan!
Und die Gebäudeversicherung spricht dann im Jahresergebnis "von immer mehr Ereignissen, Klimaerwärmungsfolgen und so weiter".
Der einzig richtige Satz wäre: Die Menschen werden immer dümmer!
Ich wundere mich überhaupt nicht mehr. Und ich muss mich auch jeweils nicht mehr rechtfertigen, wenn ich einem Kunden ein ordentliches Fundament für den Windmessmast empfehle und dieser dann meint, wir seien dann "nicht auf dem Jungfraujoch"... Vielleicht gebe ich ihm noch einen Hinweis auf die langjährige Praxis - und wenn er dann immer noch nicht begreifen will, lasse ich ihn selber werkeln. Ich brauche dann nur zu warten, bis der Kunde wieder ein Anemo-TK und ein Anemometer bestellt und vielleicht mit der Bestellung noch ein Bild des umgelegten Mastes mitgeschickt wird
ok, so viel zum ETF-Geschreibsel aus dem Sturmforum.
Einfach immer vor Augen halten:
- Das Gewitter kam nicht "unerwartet" und auch nicht "plötzlich"
- 99% der ETF Teilnehmer kommen woanders her und empfanden das als Weltuntergang
- Solche Gewitter sind stark und selten, aber es gab in der Vergangenheit noch weit Krasseres!
Grüsse
Kusi